Ein Erfahrungsbericht zum Einsatz der Bezirksreserve Kreis Lippe, Zug 41 + Zug 42, der ersten 48 Stunden im Hochwassergebiet von Euskirchen
Von Martin Brummermann
Nach dem Starkregenereignis im Bergischen Land, Sauerland, Rheinland und der Eifel, kam es am 14. Juli 2021 um 21.05 Uhr zum Voralarm für den Zug 42.
In diesem Zug sind auch Einheiten aus Bad Salzuflen eingebunden. Konkret sind das die Einheiten aus Retzen und Wülfer-Bexten. Zusätzlich wurde für diesen Einsatz noch das TLF 4000 aus Biemsen-Ahmsen angefordert.
Gemeinsam mit den anderen Einheiten aus Lippe traf man sich ab 22.30 Uhr auf dem Bereitstellungsplatz der Feuerwache Bad Salzuflen. Alle Fahrzeuge wurden nochmals betankt und es wurde zusätzliches Gerät (Tauch- und Schmutzwasserpumpen) verlastet. Gemeinsam mit den anderen Feuerwehren machten sich die zwölf Bad Salzufler Feuerwehrangehörigen mit drei Fahrzeugen auf den Weg in den Rhein-Erft-Kreis. Bei Abfahrt wurde der Einsatzort nochmal konkreter genannt. So hatte wohl die Stadt Euskirchen um überörtliche Hilfe gebeten.
Den teilnehmenden Feuerwehrangehörigen war vor Abfahrt bekannt, dass der Einsatz zunächst einmal für 48 Stunden geplant ist. Eventuell sollte die Mannschaft dann gegen frische Kräfte ausgetauscht werden.
Gegen Mitternacht setzte sich der Verband in Bewegung. Es wurde die A2 angesteuert und dann ging es bis zum Kamener Kreuz. Anschließend wechselte die Kolonne auf die A1 in Richtung Köln. Hinter Wuppertal war dann die A1 voll gesperrt, da es dort schon zu Überflutungen kam. Die Umleitungsstrecke führte durch das Bergische Land. Auch hier kam es wegen örtlicher Überflutungen zu Beeinträchtigungen. Bei Sonnenaufgang war dann endlich mal die andere Rheinseite erreicht und man konnte wieder auf die A1 auffahren. Schon kurze Zeit später kam es zum Stau. Grund dafür war die Überflutung der A1 hinter Erftstadt. Zu dem Zeitpunkt war den Einsatzkräften nicht bekannt, wie schwer es die Stadt Erftstadt getroffen hatte. Gegen sechs Uhr am Morgen erreichte der gesamte Verband dann wohlbehalten das Kreishaus in Euskirchen. Hier gab es zunächst vom DRK einen Kaffee. Etwa gegen 6.30 Uhr setzte sich der Verband wieder in Bewegung, um am anderen Ende der Stadt zunächst mal die Fahrzeuge wieder zu betanken.
Jetzt wurde allen Teilnehmern bewusst, warum wir hier waren. Auf der Fahrt durch die Stadt konnten schon Schäden durch Überflutung gesehen werden. Fahrzeuge, die zusammengeschoben an Hindernissen hängengeblieben sind. Unterführungen, die vollständig geflutet waren. Geröll und Schlamm auf allen Wegen. Ein tiefer gelegenes Neubaugebiet, rechts der Hauptstraße, wo die Menschen auf den Balkonen standen. Das Erdgeschoss war vollständig von Wasser, Schlamm und Müll überflutet. Das waren Bilder, die wir bisher auch nur aus dem Fernsehen kannten.
An der Tankstelle angekommen wurden wir von Menschen angesprochen, ob wir etwas Neues zu berichten hätten. Diese Personen waren aufgefordert worden, ihre Häuser zu verlassen und campierten nun an dieser Tankstelle. Das Netz für die Mobiltelefone war ausgefallen. Ihre Stadtteile hätten keinen Strom, erzählte man uns. Wir konnten aber auch nicht helfen. Als die Menschen erfuhren, wo wir gerade herkämen, um zu helfen, freuten Sie sich und wünschten uns viel Kraft und Gesundheit.
Von dieser Tankstelle in Großbüllesheim fuhr der Zug 42 in sein Einsatzgebiet. Der Ortsteil Stotzheim sollte ab nun unser Einsatzabschnitt sein.
Es gab kein Trinkwasser, kein Gas und keinen Strom. Es funktionierte kein Telefon und natürlich auch kein mobiles Netz.
Keller erkunden, Menschen beruhigen und immer wieder Fragen zu alltäglichen Problemen beantworten. Wohin mit dem Müll? Wann gibt es wieder Trinkwasser? Was gibt es aktuell Neues zu berichten? Ab wann wird es wohl wieder Strom geben? Wo bekommt man Lebensmittel und Trinkwasser? Das war neben dem eigentlichen Leerpumpen der Keller eine unserer Hauptaufgaben. Wir haben versucht den Menschen Mut zuzusprechen. Weiterhin mussten wir auch Informationen weitergeben, die nicht so angenehm waren. So waren bereits am Freitag mehr als zehn Tote in Euskirchen bekannt. Den Betroffenen Mut zuzusprechen und das Positive, nämlich das Leben, in den Vordergrund zu stellen, war auch für uns sehr wichtig.
Im Schadensgebiet fließt die Erft. Die massiven Zerstörungen von Infrastruktur (Brücken, Bahngleise und Straßen) ging einher mit erheblichen Schäden an Häusern, Fahrzeugen und Gärten. Zugleich lag ein Geruch von Heizöl über dem Gebiet. Viele Tanks waren leck geschlagen. Am Ende des ersten Tages fuhren wir gegen 18:00 Uhr in unsere Unterkunft, dem Gerätehaus der Feuerwehr im Ortsteil Großbüllesheim.
Dort gab es Verpflegung und Feldbetten für alle. Die Kameraden aus Lemgo hatten die Betten aufgebaut. Für uns alle waren das sehr lange 36 Stunden ohne Schlaf, denn fast alle hatten ja am 14. Juli auch schon einen Arbeitstag hinter sich. Nach einer Frikadelle und etwas Salat ging es noch unter die Dusche und man versuchte seine Lieben zu Hause zu erreichen. Das gestaltete sich als sehr schwierig, was als zusätzliche Belastung empfunden wurde. Schließlich machten sich die Familien in der Heimat große Sorgen um uns. Der 15. Juli neigte sich dem Ende und alle wollten nur noch ins Bett.
Am Morgen des 16. Juli 2021 war um halb sechs Uhr Wecken angesagt. Es ging dann wieder zur gleichen Tankstelle wie am Vortag. Hier gab es einen Kaffee und Brötchen zum Frühstück. Danach fuhren wir wieder nach Stotzheim, um hinter den Bahngleisen weiter zu machen. Wir haben uns dann bis zur Erft vorgearbeitet und viele verzweifelte Menschen kennengelernt. Aber man war dankbar und glücklich, dass nun endlich Hilfe kam.
Die Eindrücke der Kameraden waren sehr intensiv. Wir haben in unserem Feuerwehrleben schon viel erlebt. Aber das Schicksal der Menschen hat uns alle Betroffen gemacht. Nun mussten wir zum Glück keine Verletzten retten oder Tote bergen. Wir haben den Menschen geholfen!
Aber die Schicksale und die Ungewissheit der Menschen machte trotzdem sehr nachdenklich und betroffen.
Gegen 15.30 Uhr war dann das Abbauen befohlen. Unsere Ablöse war auf dem Weg zu unserer Unterkunft der letzten Nacht. Gegen 17.00 Uhr wurden dann unsere persönlichen Sachen umgeladen und um 17.45 Uhr ging es Richtung Heimat. Die frischen Kräfte übernahmen unsere Geräte und haben weitergearbeitet.
Gegen 21.15 Uhr am Freitag 16. Juli 2021 sind wir alle wieder gesund zu Hause angekommen. Niemand erkrankt, niemand verletzt aber dafür alle ziemlich müde und erschöpft!
Abschließend kann man sagen, dass die Situationen und Eindrücke, die man erlebt hat, bestimmt noch lange in unserer Erinnerung bleiben werden.